Das Schulhaus
Ausgehend von einer wegweisenden Ausstellung im Kunstgewerbemuseum Zürich zum Thema: "Das Kind und sein Schulhaus" setzte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in der ganzen Schweiz die Tendenz - weg von der Selbstinszenierung der Institution Schule hin zur pädagogisch orientierten Architektur - ein.
Das Schulhaus Engelwies darf denn auch als eines der ersten Beispiele dieser neuen Bautypologie in der Ostschweiz angesehen werden.
Das erste Projekt für das Schulhaus Engelwies vom Amtsvorgänger Trüdinger's, Max Müller, zeigte noch eine fabrikähnliche Schulanlage. Im Vergleich zu diesem Projekt dominiert beim heutigen Bau aber nicht mehr die monumentale Repräsentationsarchitekur, sondern der Wunsch nach Sonne,Licht und Luft. Dies zeigt sich besonders gut in den Schulzimmern: grosse raumbreite Befensterung auf der Südseite und schmale Lichtbänder zur Querlüftung auf der Nordseite. Die Klassenzimmer wurden auch nicht mehr an langen anonymen Korridoren aufgefädelt, sondern gruppieren sich um die grosszügige Treppenhalle. Zudem soll die Geometrie des Schulzimmers und eine mobile Bestuhlung vielfältige Unterrichtsformen zulassen.
Auch der künstlerische Schmuck wird der Jugend gewidmet: über dem Eingang der schützende Engel (von Paul Haefeli) und im Treppenhaus eine Darstellung des wenige Jahre zuvor wieder eingeführten Kinderfestumzuges (von Werner Weisskönig).
Obwohl die 2. Etappe, erstellt 1949 - 50, doch weitgehend auf dem Konzept von Trüdinger aufbaut, kann sie nicht in gleichem Mass überzeugen.
Architekturgeschichtlich stellt sie sogar einen Rückschritt dar. Die gestalterischen Ausdrucksformen sind weitgehend vom vorderen Bau übernommen worden, so dass man erst beim zweiten Blick einen Unterschied im Fassadenaufbau erkennt, die Dimensionen und die Grundrissgestaltung sprechen aber eine andere Sprache.
So sind die Schulzimmer wieder an einem langen Gang angeordnet und weisen keine Möglichkeit zur Querlüftung mehr auf. Wie beim Bau von Paul Trüdinger wurde aber auch hier auf eine kindgerechte Ausstattung und Materialisierung Wert gelegt.
Denkmalpflege der Stadt St.Gallen
25.2.2002 / Niklaus Ledergerber
Der Architekt
Paul Trüdinger (1895 - 1961) wurde als viertes Kind seiner Basler Eltern in Bregenz geboren. Zwölfjährig besuchte er das Realgymnasium in Basel, und er wusste nach bestandener Maturität ganz klar, dass er Architekt werden wollte. Er studierte in Zürich und Stuttgart, wo er nach einem zweijährigen Praktikum in Holland auch eine Stelle annahm. Nach der Machtergreifung Hitlers verliess er Stuttgart und nahm den Posten eines Stadtbaumeisters in St.Gallen an. Im Jahre 1939, also bald nach der Eröffnung des Schulhauses Engelwies, wurde er als Stadtplanarchitekt in seine Vaterstadt Basel berufen. Seiner weitsichtigen Arbeit in Basel erwuchs jedoch Widerstand und er wechselte wieder nach St.Gallen, wo er mit Eric Steiger eine Bürogemeinschaft einging. Weitgehend aus seiner Hand stammt das erste Chirurgie - Hochhaus des Kantonsspitals (Backsteinbau). Vor allem aber hat er Kirchen renoviert und neue bauen dürfen, z.B. das Kirchgemeindehaus Grossacker. Neben einem hervorragenden Architekten war Paul Trüdinger auch ein ausgezeichneter Musiker.
Projekt: Paul Trüdinger, Stadtbaumeister
1. Etappe: 1935 - 36 - Ausführung: Paul Trüdinger
2. Etappe: 1949 - 50 - Ausführung: Alois Osterwalder